Jahresrückblick

Der Ausbruch der Covid-19 Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens zum Schutz der Menschen brachte, wie in allen anderen Bereichen unserer Gesellschaft auch, immense Auswirkungen für unsere Beratungsstelle und Beratungsarbeit mit sich. Zum einen waren da die Sorgen und Überlegungen, wie wir gut in Verbindung mit den Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen bleiben können.
Gerade während der Zeit der Schul- und Kitaschließungen kamen deutlich weniger Anfragen von Fachkräften bei uns an, auch für unsere erwachsenen Klient*innen war es aufgrund der häuslichen Situation oft schwierig ungestört in Kontakt mit uns zu treten. Zum anderen mussten wir unsere Arbeitsweisen und Abläufe verändern, um unser Beratungsangebot während der Covid-19 Pandemie aufrecht erhalten zu können. Persönliche Beratungen fanden zwischen März und April und von November bis Dezember nur in Einzelfällen statt und unter Wahrung unseres Hygienekonzeptes. Alternativ dazu nutzten wir digitale Wege der Kommunikation sowie das Telefon, um Beratungen anzubieten. Teambesprechungen und Supervision fanden über Videokonferenzen statt und Aufgaben wurden, wo möglich, ins Homeoffice verlegt. Fortbildungs- und Präventionsveranstaltungen für Fachkräfte, Eltern und Ehrenamtliche wurden zunächst deutlich weniger angefragt. Danach war aber auch hier die Tendenz zu erkennen, Online-Formate einzusetzen, so dass Wildwasser & FrauenNotruf eine noch recht
überschaubare Anzahl an Online-Schulungen anbieten konnte.

Wie wichtig es gerade zu Zeiten von Covid-19 ist, Kinder und Jugendliche nicht aus dem Blick zu verlieren,
darauf zielt auch die Online-Soforthilfe www.kein-kind-alleine-lassen.de des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBKSM) ab. Auf der Webseite finden Kinder und Jugendliche
direkten Kontakt zu Beratungsstellen und auch Erwachsene erhalten Informationen, was sie bei sexualisierter Gewalt in der Corona-Krise tun können.

Das immer noch gesellschaftlich tabuisierte Thema „Frauen als Täterinnen“ greift eine Studie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (UKASK) auf. Anhand einer Online-Befragung wurden Erfahrungen von Menschen erfasst, die sexualisierte Gewalt durch eine weibliche Person erlebt haben, mit dem Ziel, Wissenslücken in der Forschung weiter zu schließen. Das Forschungsprojekt läuft noch bis Mitte 2021.

Die Missbrauchsfälle Lüdge, Bergisch Gladbach und Münster haben zu einer breiten politischen Debatte zum Thema Strafverschärfungen geführt. Im Oktober beschloss die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Staatsanwält*innen, Richter*innen, Anwält*innen und Hochschullehrer*innen kritisierten in einer Bundestagsanhörung den Gesetzentwurf jedoch massiv. Ob die Koalition nun dem Rat der Fachwelt folgen wird und nochmals Änderungen am Gesetzesentwurf vornehmen wird, ist offen.

In 2020 stand auch die Positionierung der Kirche zu dem Thema sexueller Missbrauch weiterhin in der Kritik.
Speziell der Umgang des Bistums Köln mit dem von einer Münchner Kanzlei erstellten Gutachten zu sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen durch Kleriker zwischen 1965 und 2019 führte zu einer breiten öffentlichen Diskussion, die auch noch weiter andauert.

Vereinsintern leitete die Anfrage des Landkreises zur Etablierung einer fachlich qualifizierten Beratung für
männliche* Betroffene, die sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind oder waren, einen intensiven und produktiven Diskussionsprozess ein. Im Juni 2020 hat Wildwasser & FrauenNotruf das Angebot für die Zielgruppe der Jungen* und Männer* im Landkreis geöffnet und eine 50 % Fachkraftstelle etabliert. Obwohl die Öffentlichkeitsarbeit aus diversen Gründen erst im Frühjahr 2021 starten kann, ist von Anfang an eine stetige Beratungsnachfrage zu verzeichnen. Die persönlichen Beratungsgespräche finden zurzeit noch in der Psychologischen Beratungsstelle vom Landratsamt statt, solange bis Wildwasser & FrauenNotruf neue größere Räumlichkeiten in der Innenstadt gefunden hat. Durch die Mitgründung des bundesweiten Netzwerkes „Lückenschluss“ (Arbeitstitel) für Fachberatungsstellen, die originär mit Frauen* und Mädchen* gearbeitet haben und sich nun im Öffnungsprozess für männliche* Betroffenheit befinden, kann Wildwasser & FrauenNotruf ihre diesbezüglichen Erfahrungen u.a. mit Beratungsstellen in Stuttgart, Marburg, Mainz und Magdeburg teilen sowie gleichermaßen von deren Erfahrungen profitieren und diese für den eigenen Weiterentwicklungsprozess nutzen.

Parallel zur Öffnung der Beratungsstelle für männliche* Betroffene wurden im Verein im Rahmen einer
Projektgruppe die hierfür notwendigen Veränderungen an der Vereinssatzung erarbeitet. Diese kann nun nach Zustimmung aller Vereinsmitglieder als finaler Schritt beim Registergericht eingereicht werden.

Bereits im April des letzten Jahres hat das Team der Beratungsstelle Unterstützung durch eine Verwaltungskraft mit einem Teilzeitdeputat erhalten. Die Einarbeitung und fachliche Begleitung der beiden neuen Kolleginnen konnten zeitlich durch Stundenerhöhungen abgefedert werden.